Samstag, 27. Oktober 2007

Bericht über etwas das nicht geschehen wird

Ich komme nach Hause und mein Mitbewohner sagt mir, ein Mann wäre da gewesen, der mich hatte sprechen wollen. Ich wundere mich, denn ich kenne nicht wirklich viele Menschen in Vancouver, und die, die ich kenne, würden nicht einfach unangemeldet vorbei kommen. Mehr verwunderte mich noch die Beschreibung, dass es ein Geschäftsmann gewesen sei oder vielleicht ein Anwalt. Die Visitenkarte jedoch, die die Person hinterlassen hatte, war noch mysteriöser. „Action Service“ stand darauf, aber nicht erkennbar, ob das nun, das Motto, der Firmenname oder etwas ganz anderes ist. Immerhin war noch ein Personenname darauf, allerdings so geläufig wie in Deutschland vermutlich Hans Müller. Und nur eine Pager-Nummer, nicht mal eine echte Telefonnumer, Emailadresse, Website oder Straße. Das sah überhaupt nicht nach einer Visitenkarte aus, zumindest nicht nach einer, mit deren Inhaber ich gerne Geschäfte machen würde. Würde ich Drogen oder Waffen verkaufen, dann würde ich mir wahrscheinlich genau so eine Visitenkarte machen lassen.

Ich habe natürlich trotzdem angerufen und herausgefunden, dass jemand etwas abzugeben habe. Was jedoch, wollte mir der Überbringer lieber nicht sagen. Ich habe eingewilligt, um dann später mit Erstaunen festzustellen, dass es eine gerichtliche Vorladung als Zeuge war, ausgestellt von dem Anwalt des Mannes, der im Januar bei rot auf eine siebenspurige Straße gelaufen ist und von einem Bus angefahren wurde. Offensichtlich verklagt der Mann, oder seine Familie, das Busunternehmen, weil... tja, vermutlich, weil der Bus frecherweise dem Mann nicht ausgewichen ist.

Ich habe mich sehr gefühlt wie Marlene Dietrich in dem Film Zeugin der Anklage. Warum um alles in der Welt, will die Anklage mich vorladen? Damit ich aussage, dass der alte Mann selbst Schuld ist, und nach meiner Meinung keinen Cent vom Busfahrer oder dem Busunternehmen bekommen sollte? Oder haben die Anwälte in meinem Protokoll irgendwas gesehen, dass ich selbst übersehen hatte? Wollten sie mich aufs Glatteis führen, wie dass in diesen Hollywood-Krimis immer wieder geschieht? Oder wollten sie beweisen, dass ich kurzsichtig, betrunken und unzurechnungsfähig war?

Wie dem auch sei, die nächsten zwei Wochen habe ich meine Mittagspausen damit verbracht diese echten Gerichtsverhandlungsserien am Fernsehen zu schauen. Außerdem habe ich im Internet recherchiert, wie das kanadische Prozesswesen aussieht. Dabei habe ich so interessante Sachen herausgefunden, wie, dass man den Richter beim Obersten Gericht von BC (und da sollte der Fall verhandelt werden) mit „My Lord“ bzw. „My Lady“ anzusprechen hat. Überall sonst in Kanada hat man mittlerweile das modernere „Mr/Mrs Justice“ eingeführt. Aber BC ist doch eben noch recht british.

Einige Zeit später bekam ich dann aber noch einen Anruf und zwar vom Anwalt des Beklagten. Er wollte mich ebenfalls vorladen, für den Fall dass die Gegenseite ihre Vorladung wieder zurückziehen würde. Dieses Gespräch lief insgesamt sehr viel professioneller ab. Ich wurde angerufen, mir wurde alles erklärt und ich wurde gefragt, wann ich denn zu Hause sei, damit man mir die Vorladung überbringen könne.

Übermorgen sollte es soweit sein, der erste Gerichtstag. Doch dann kamen gestern zwei Anrufe, von den Anwälten beider Seiten. Sie hatten sich außergerichtlich geeinigt und es würde nicht zu einer Gerichtsverhandlung kommen. Alles war abgeblasen.

Schade eigentlich.


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7 Kommentare:

리페 라이너 hat gesagt…

Mal was ganz anderes - was hälst Du eigentlich davon, dass die Frauen Fußball WM 2011 in Deutschland stattfindet und nicht in Kanada? :-)

Robin hat gesagt…

hehe. das freut mich fuer Deutschland. und da es gerade Schwierigkeiten gibt ein Visum fuer das naechste Jahr zu bekommen, kann es sogar sein, dass ich von dieser Wahl schlussendlich auch nutzniessen werde.

Anonym hat gesagt…

Oh Mann, ich war doch sooooooooo gespannt....
Ist mein Charakter eigentlich noch am Leben?

Robin hat gesagt…

Dein Charakter lebt noch. Kannst ihn gerne beim naechsten Mal weiterspielen.

리페 라이너 hat gesagt…

Vielleicht sollte sich England um die Austragung der nächsten Herren-Fußball-EM bemühen - dann dürfen sie auch mal wieder mitspielen. :-)

Robin hat gesagt…

Ich habe Geruechte gehoert, dass es zu dem Zeitpunkt bereits keine englische Nationalmannschaft mehr geben wird, sondern diese fusioniert hat mit den anderen Teilen des Koenigsreich und es dann eine UK-Mannschaft sein wird.

리페 라이너 hat gesagt…

Davon kann ich nur abraten. Nach dem Anschluss von Österreich wurde propagiert, die Großdeutsche Elf wäre jetzt unbesiegbar. Nix war's. Weltmeister wurde stattdessen die Elf der "kleinen" Bundesrepublik...

Mensch ist das schön - bei der WM-Qualifikation müssen die Engländer wieder gegen Kroatien ran. :-) Wenn sie schlau sind, verpflichten sie den Klinsmann. Dann klappt's auch endlich mal mit dem Elfmeterschiessen. :-)